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Puls-Debakel: guter Journalismus sieht anders aus!

Ist die SRF-Sendung PULS von der Pharmaindustrie gekauft?* Diese Frage drängt sich bei mir aufgrund der Sendung vom 16.12.19 auf, da man sich nicht ernsthaft mit Alternativen zum millionenschweren Verhütungsgeschäft auseinandersetzt. "Zyklustracker und Smartphone: Die Alternativen zur Hormon-Pille sind besonders bei jungen Frauen beliebt. «Puls» zeigt, wie verlässlich Thermometer und Algorithmen sind und bietet einen Experten-Chat zum Thema Verhütung." Dies die Ansage zu dieser Pulssendung. Leider wurde diese Erwartung überhaupt nicht erfüllt, da gar keine Experten der Alternativen befragt wurden.

Ich bin enttäuscht über den Journalismus, den SRF hier an den Tag legt. Viele Frauen sind ernsthaft an Alternativen zu hormoneller Verhütung interessiert und werden von Puls mit irreführenden Antworten abgespeist. SRF erhält öffentliche Gebühren und hat den Auftrag, die Bevölkerung unabhängig zu informieren.

 

Hier einige meiner konkreten Kritikpunkte:

  • Die zuverlässigste Variante der "natürlichen Verhütung" (auf englisch wird treffend von "fertility based methods" gesprochen), die symptothermale Methode, wird in der ganzen Sendung kein einziges Mal erwähnt. Aufgabe von Ärzten und Medien wäre, im grossen Markt der Angebote Orientierung zu bieten bezüglich Sicherheit, was damit leider verpasst wurde. Das "Handbuch Kontrazeption" des Unispitals Zürich gibt grundlegende Auskunft über die symptothermale Methode und informiert darüber, dass es wichtig ist, die Methode gut zu erlernen und dabei Beratung in Anspruch zu nehmen. Dazu macht in der Schweiz das Institut für Natürliche Empfängnisregelung INER (www.iner.org) die Ausbildung und Qualitätskontrolle der Beraterinnen und Berater. Diese haben ein umfangreiches Wissen über den weiblichen Zyklus und können Paare auch in aussergewöhnlichen Lebenssituationen in der Anwendung der symptothermalen Methode beraten, z.B. bei Schichtarbeit, unregelmässigen Aufstehzeiten, zur Stillzeit oder den Wechseljahren. Hier eine Aussage aus einem aktuellen Gynäkologielehrbuch:

    „Die symptothermale Methode (Rötzer 1968) ist die Kombination von Beobachtung der zyklischen Zervixschleimveränderungen und Messung der Basaltemperatur. (…) Bei regelrechter Anwendung ist die symptothermale Methode mit PI 0,3 eine der sicheren kontrazeptiven Methoden. Sie stellt die zuverlässigste und heute am häufigsten angewandte Methode der Natürlichen Familienplanung dar. Auch bei unregelmäßigen Zyklen kann diese Methode  angewendet werden.“

    DIEDRICH, K (Hrsg). Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin: Springer 2007, 2. Auflage, Seite 130

  • Zuverlässigkeit von Apps, die eine Aussage über die Fruchtbarkeit machen: hier wird anhand einer Grafik gezeigt, wie diese funktionieren sollen. Allerdings wird da einzig ein Kalenderapp gezeigt, das richtigerweise als untauglich erklärt werden. Es wird aber nicht erwähnt, dass sehr viele Apps ganz anders funktionieren, nämlich nach verschiedenen symptothermalen Methoden. Diese bringen auch keine vergleichbare Sicherheit mit sich wie hormonelle Verhütungsmittel, es ist aber ein riesiger Unterschied zur gezeigten Funktionsweise, es wird nämlich der aktuelle Zyklus beobachtet und festgestellt, wann der Eisprung vorbei ist. Eine genaue Einschätzung der Sicherheit von Apps von Fachleuten für natürliche Familienplanung findet sich hier: https://sektion-natuerliche-fertilitaet.de/zyklus-apps-zur-verhuetung-sicher-oder-gesellschaftsspiel/ Es gibt auch Apps, die rein zur Aufzeichnung des Zyklus dienen und keinen Algorithmus über die Annahme der (Un-)Fruchtbarkeit entscheiden lassen, z.B. INERCycle.
  • Zykluscomputer: die von den vier Frauen gezeigten Geräte wurden korrekt eingestuft mit "wenn es nicht schlimm wäre schwanger zu werden". Es wurde leider nicht erklärt weshalb. Die Computer funktionieren mit der Temperaturmethode, auch wenn Schleim eingegeben wird, ist es keine echte symptothermale Methode, was sie fehleranfällig macht. Es wäre schön gewesen, wenn an dieser Stelle der Hinweis auf die Unterschiede zur symptothermalen Methode gekommen wäre, die nach den Regeln von Dr. Josef Rötzer (www.iner.org) eine vergleichbare Sicherheit erreicht wie hormonelle Verhütungsmittel.
  • Im Chat kamen ganz viele Fragen im Sinne von jener von S.M. "ich wollte eigentlich anfangen mit der Temperatur Kontrolle zu verhüten. Ist das wirklich verlässlich?" Leider kam nirgends die richtige Antwort, die auch Ärzte geben sollten: eignen Sie sich fundiertes Wissen über die symptothermale Methode an, z.B. durch einen Kurs oder Beratung, die ist zuverlässig, wenn richtig angewendet. Aber lassen sie die Finger von Prognoseapps und Computern. Viele Frauen werden trotz einer Empfehlung ihrer Gynäkologin bei der Pille zu bleiben, nach Alternativen suchen (zu Hunderten dokumentiert in Facebook-Foren), und hier sollten Fachleute Orientierung bieten und sich dafür selber gut informieren.
  • Im Chat schrieb A.H. "Meine Frauenärztin sagt, dass ich unbedingt mit dem Nuvaring verhüten soll damit mein Zyklus bei einem Kinderwunsch dann regelmässig ist. Ich würde jedoch gerne natürlich verhüten, habe jedoch Angst, dass ich deswegen Probleme haben werde schwanger zu werden (Kinderwunsch in ca. 2 Jahren)."
    Sind tatsächlich alle Frauenärztinnen der Meinung, dass unter hormoneller Verhütung ein regelmässiger Zyklus stattfindet oder weshalb wird auf solche Fehlaussagen nicht eingegangen. Mit dem Nuvaring findet gar kein Zyklus statt und bei bestehendem Kinderwunsch sollte auf jeden Fall die Ursachensuche für ein PCO im Vordergrund stehen.
  • Im Chat empfiehlt Vera Studach auf meine Frage, weshalb die symptothermale Methode nicht erwähnt wurde, die Webseite www.ladyplanet.ch für weitere Informationen. Ich schätze die Arbeit von Bea Loosli, aber auf ihrer Webseite fehlen z.B. klare Angaben zum PearlIndex von Zykluscomputern und da diese über die Seite verkauft werden ist die Unabhängigkeit als Informationsquelle nicht gegeben. Hilfreicher wäre z.B. die Information im "Handbuch Kontrazeption" des Unispitals Zürich zur symptothermalen Methode. Diese ist im übrigen eine eigenständige Methode mit Temperaturmessung und Zervixschleimbeobachtung und es muss nicht Basal und Billings dazu kombiniert werden. Beste Informationsquelle dazu mit Beratungsadressen ist www.iner.org. Sie ist auch möglich bei längeren Zyklen als 35 Tagen und hilft, Ursachen für Zyklusstörungen zu finden und den Zyklus zu regulieren (hormonelle Verhütungsmittel beheben keine Störungen sondern schalten den natürlichen Zyklus einfach aus). Ich biete Vera Studach sehr gern eine Einführung in die symptothermale Methode an.

* Auf meine Nachfrage versicherte mir Puls-Redaktionsleiter Gerald Tippelmann, dass Puls ausschliesslich aus Gebührengeldern der SRG finanziert sei und "keinerlei finanzielle Kontakte zu Industrie oder anderen Akteuren des Gesundheitswesens" bestünden. Allerdings ist die Unabhängigkeit für die beteiligten Ärztinnen und Ärzte nicht garantiert. Gabriele Merki hat z.B. gemäss www.pharmagelder.ch im Jahr 2018 3500.- Fr. Honorare von Novartis und Almirall angenommen.

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